Heimatverein Fresenburg e.V. 

Christianisierung des Emslandes - Kirchspiel Lathen - Kapelle Fresenburg

zusammengestellt von Heiner Schwering nach Untersuchungen und Veröffentlichungen von Johannes Rüschen, Köln. Entnommen aus dem Jahrbuch des Emsländischen Heimatvereins von 1968 (Band 14) Seite 130 - 147, "Aus der Geschichte des Kirchspiels Lathen von 800 bis 1600" von Johannes Rüschen.

Christianisierung des Emslandes:

Mit der Christianisierung in der Zeit von 750 bis 800 im norddeutschen Raum beginnt auch für das Emsland ein bedeutender Abschnitt seiner Geschichte. Karl der Große förderte intensiv die Missionierung der Sachsen und führte ein Ordnungswesen ein, das die gesellschaftlichen, politischen, geistigen und religiösen Verhältnisse umfasste und zu einer tiefgreifenden Wandlung führte. Unter Karl dem Großen werden die Bistümer Münster und Osnabrück gegründet, die wechselweise die Geschichte des Emslandes beeinflussen. In der Zeit kurz nach 800 erscheinen zum ersten Mal in den historischen Quellen auch die Namen vieler Emslandorte. Missionare reisen durch das Land, Kirchen werden gegründet, neue Siedlungen entstehen. Es beginnt also deutlich sichtbar ein neuer Abschnitt der emsländischen Geschichte.
Zwei bedeutende Phasen der Christianisierung zeichnen sich ab. Die erste Phase von 750 bis über 800 hinaus steht ganz im Zeichen der "peregrini", der Wandermissionare. Sie reisen predigend umher, scheuen keine Mühen und verfolgen das Ideal des Leistungschristentums. Zu den bekanntesten von ihnen gehören der heilige Liudger und sein Bruder Hildigrim, die auch im Emsland wirken. Liudger richtete für seine Reisen ins friesische Missionsgebiet im Emsland drei Reisestationen ein, nämlich in Emsbüren, Bokeloh und Aschendorf. Liudger wird dann im Jahre 805 zum ersten Bischof von Münster ernannt.

Im Gotteslob des Bistums Osnabück auf Seite 907 steht geschrieben:
"Hl. Liudger, Bischof von Münster. Glaubensbote im Emsland und Ostfriesland
Um 742 in Friesland geboren, wurde er 777 in Köln zum Priester geweiht und wirkte dann in Dokkum. Nach seiner Romfahrt wurde er 787 von Karl dem Großen mit der Mission in fünf Gauen Frieslands und 792 im westlichen Sachsen beauftragt. Im neugegründeten Bistum Münster schuf er als erster Bischof (seit 805) eine vorbildliche Bistumsverwaltung. Er gründete Kirchen, Klöster und Schulen. Weiten Teilen des heutigen Emslandes und Ostfrieslands brachte er das Christentum."
Hildigrim ist bereits 802 Bischof von Chãlons-sur-Marne in Frankreich und erster Bischof von Halberstadt.

Die zweite bedeutende Phase der Christianisierung verläuft ruhig und bringt eine Vertiefung des religiösen Lebens. Das Kloster Corvey gewinnt Einfluss im Emsland. Es übernimmt keine eigentliche Missionsaufgabe, sondern findet schon ein missioniertes Gebiet vor. Ferner veranlasst das Kloster Kirchengründungen und erhält aus dem Emsland beträchtliche Abgaben, die sogenannten Zehnten.

Kirchspiel Lathen von 800 bis ca. 1600:

Nach Elisabeth Schlicht waren für Kirchengründungen drei Gegebenheiten eine wesentliche Voraussetzung: "Ausschlaggebend für die Wahl der Orte war ihre Lage an Straßenkreuzungen, Flussübergängen und an höher gelegenen Punkten des Landes. Die Urkirchen in Haselünne, Holte, Werlte, Sögel und Lathen wurden auf Meierhöfen errichtet, die ebenfalls außerhalb der bäuerlichen Siedlungen an Straßenkreuzungen erbaut waren." Es lässt sich die mittelalterliche Geschichte im Emsland, wie auch hier bei Schlicht zu sehen ist, nur im Zusammenhang mit kirchenhistorischen Ereignissen erfassen. Für Lathen kann man sagen: es handelt sich um einen recht alten Ort mit zentraler Bedeutung. Hier befand sich auch eine der ältesten Kirchen des Emslandes. Die These von Frau Dr. Elisabeth Schlicht für die ersten Kirchengründungen trifft hier zu:
Lathen war sowohl Kreuzungspunkt von Verkehrswegen mit der bedeutenden Abzweigung zum Hümmling als auch ein Ort an höher gelegener Stelle. Das damalige Wort für Lathen (Lodon) bedeutet nichts anderes als Walddüne.
Diese unweit der Ems gelegene Düne (nicht zu verwechseln mit dem Krankenhausberg) lässt sich auch heute noch klar erkennen: Eine Erhebung, die umschlossen wird vom Halbkreis der Burgstraße und östlich davon am Kleinen Esch endet. Diese Erhebung bildete den Ortskern, hier müssen sich auch die erste Kirche und der Haupthof befunden haben. Urkundlich wird Lathen im Jahre 854 genannt und zwar als Lodon mit seinen Dörfern Dude (Düthe), Ernbini (Emen), Helderi (Hilter), Dynnon (Tinnen) und Meldesdorp (Melstrup). Diese Angaben werden in neueren Untersuchungen bestritten und bedürfen einer genaueren Ergänzung. Die hier genannten Orte gehörten zum Kirchspiel Lathen und blieben es im ganzen Mittelalter und danach bis zum 19. Jahrhundert.
Man ist aber in der Forschung der Meinung, dass Lathen mit seinen umliegenden Dörfern beträchtlich älter ist. Diese Auffassung besteht zu Recht. Die Urkunden Corveys erwähnen die Orte erst dann, wenn ein wirtschaftliches Interesse durch das Zehntenrecht bestand.

Lathen gehört also zu den ältesten Orten des Emslandes. Ebenso dürfte es sich hier um eine sehr alte "parochia" (Pfarrgemeinde) handeln, die eine große Ausdehnung hatte und sogar einen Teil des Hümmlings umfasste. Die schon genannten umliegenden Dörfer gehörten ohnehin dazu. Das alte Stennebill (Steinbild) hat offensichtlich nicht zu Lathen gehört, sondern dürfte schon recht früh eine eigenständige Pfarrgemeinde gewesen sein. (Die Quellen darüber sind spärlich. Erstaunlich ist die große Ausdehnung der alten Pfarrgemeinde Steinbild.) Ungeklärt ist auch die Bedeutung Lathens im Agradingau. Der germanische Gau Agradingau umfasste nach Joseph Prinz den Hümmling und den heutigen Kreis Meppen. Lathen rechnet er zum Emsgau, wozu auch Aschendorf und Rhede gehörten. Nach Prinz befand sich links und rechts der Ems von Lathen bis hinauf nach Rhede ein schmaler Streifen mit den ersten Siedlungsgebieten bis zum 12. Jahrhundert. Dieses Siedlungsgebiet lag in dem von Prinz bezeichneten Emsgau. Ebenso könnte Lathen aber auch zum Agradingau gehört haben, oder es nahm zumindest eine Zwischenstellung zwischen dem Emsgau und dem Agradingau ein.
Nach Prinz waren Westerwald, Emsgau, Agradingau und Saterland die nördlichsten Gaue im Bistum Osnabrück. So war auch Lathen schon recht früh eine Pfarrgemeinde des Osnabrücker Bistums.
Schon unter Karl dem Großen wird Meppen zur Missionszentrale des Emslandes. Unter seinem Nachfolger Ludwig dem Frommen (814 - 840) gelangt diese Missionszentrale, urkundlich verbrieft, im Jahre 834 an das soeben gegründete Kloster Corvey bei Höxter an der Weser. Auch die dazugehörigen Kirchen und Ländereien werden dem Kloster vom Kaiser geschenkt. Die zur Missionszentrale Meppen gehörenden Kirchen sind: Aschendorf, Sögel, Werlte, Haren, Rhede, Bokeloh, Haselünne und Lathen.
So gelangt Lathen unter den Einfluss Corveys und wird es noch recht lange bleiben. Der Einfluss Corveys umfasst in erster Linie wirtschaftliche Interessen, denn kirchenrechtlich gehört Lathen nach wie vor zum Bistum Osnabrück.

Deckenbild des hl. Johannes und des hl. Vitus im Altarraum der St.-Vitus Kirche in Lathen

Deckenbild des hl. Johannes und des hl. Vitus im Altarraum der St.-Vitus Kirche in Lathen

Die erste Kirche in Lathen dürfte zunächst dem hl. Johannes dem Täufer geweiht gewesen sein.
(Hermann Abels nimmt an, dass die Kirche um 800 eine Taufkirche für den Süden des Emsgaues war). Mit dem Beginn des Corveyer Einflusses dürfte der hl. Vitus, der Patron dieses Klosters, zum Schutzpatron der Lathener Kirche ernannt worden sein, während der hl. Johannes als Nebenpatron verblieb. Urkundlich ist allerdings für die ersten Jahrhunderte nirgendwo verzeichnet, wer der Schutzpatron der Lathener Kirche war. Im Osnabrücker Urkundenbuch steht jedoch für das Jahr 1457 "Sankt Johann" als Patron verzeichnet. Unsicher bleibt, ob es sich um Johannes den Täufer oder um Johannes den Evangelisten handelt. Edgar Hennecke nennt als Nebenpatron für Lathen Johannes Evangelist. Urkundlich ist öfters Johannes der Täufer belegt. Vielleicht steckt dahinter der Streit zwischen Corvey und Osnabrück; denn Corvey mag Wert darauf gelegt haben, seinen Schutzpatron St. Vitus auch auf Lathen zu übertragen. An den hl. Johannes den Täufer erinnert heute noch eine Statue von ihm auf dem rechten Seitenaltar der Lathener Pfarrkirche. Die Statue stammt jedoch aus der Neuzeit.

Man nimmt an, dass die erste Kirche in Lathen wie in den anderen Emslandorten eine Holzkirche war. Sie dürfte spätestens im 13. Jahrhundert durch eine Steinkirche ersetzt worden sein. Theodor Krone vermutet die Herkunft des bis heute erhaltenen Taufbeckens in der Lathener Kirche aus der Zeit von 1225 bis 1250.
Das Taufbecken hat einen "ungewöhnlichen Unterbau", wurde aus Bentheimer Sandstein hergestellt und ist mit seiner schön geformten Struktur ein seltenes Zeugnis romanischer Kunst im Emsland. Es handelt sich hier übrigens um den ältesten erhaltenen Kunstgegenstand aus dem Lathener Raum.

Die dürftigen Fakten aus den ersten Jahrhunderten seit Bestehen der Lathener Pfarrkirche zeigen dennoch einige interessante Merkmale. Lathen gehörte kirchlich zum Bistum Osnabrück, politisch zu Ravensberg, war aber an Corvey abgabepflichtig. Lathen war eine Corveysche Hauptkurie, wie Abels bemerkt, und zu ihr gehörte der größte Teil des Hümmlings. In all diesen Verflechtungen spielt die Auseinandersetzung zwischen dem Kloster Corvey und dem Bistum Osnabrück eine wichtige Rolle. Diese Auseinandersetzung ist als Zehntenstreit in die Geschichte eingegangen.
Etwa seit Bestehen des Klosters hatte man von Osnabrück aus versucht, die Zehnten im nördlichen Emsland, im "Nordland" des Bistums, an sich zu reißen, obwohl diese Zehnten dem Kloster von Kaiser Ludwig dem Frommen in einer Urkunde zugesichert worden waren. Man führte den Zehntenstreit selbst mit Urkundenfälschungen.
Die Auseinandersetzung endet im Jahre 1158 zugunsten von Osnabrück. Als Entschädigung verbleiben jedoch dem Kloster die Zehntenrechte an einigen Kirchen im nördlichen Emsland, so auch in Lathen.
Es heißt dazu in der Urkunde wörtlich: "Iste ecclesie pertinent ad ecclesiam Corbeyensem: Aschentorp cum capella in Rhede, Lothen, Werlethe, Sugele, Meppen, Bochlo ..." Kirchenrechtlich gehörten diese Orte trotz des Abgabenzwanges für Corvey weiterhin zum Bistum Osnabrück. Corvey hatte vom Emsland einen wirtschaftlichen Nutzen und kümmerte sich weniger um die kirchlichen Belange.

Der Corveyer Einfluss hält sich in Lathen trotz wechselnder Besitzverhältnisse. Das erste bedeutende Herrscherhaus im Emsland waren nach neusten Forschungen von W. Hillebrand die Grafen von Zütfen, die "um 1100 die Vogtei über die Corveyer Güter im Osnabrücker Nordland als Lehen des Herzogs von Sachsen innehatten". So war auch Lathen eine Vogtei der Grafen von Zütfen, eines holländischen Herrscherhauses. Lathen bleibt eine "Corveysche Hauptkurie" auch unter den Ravensbergern im
12. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, ferner seit der Zugehörigkeit zum Fürstbistum Münster, denn im Jahre 1252 verkaufte Jutta von Ravensberg ihren gesamten Besitz an den Bischof von Münster.

Die Geistlichen der Lathener Pfarrkirche wurden von Osnabrück bestimmt. Die Namen dieser Geistlichen werden uns aber erst recht spät bekannt. So ist im Jahre 1336 Albert van den Beele Pastor in Lathen, offenbar ein Verwandter des Nikolaus van den Beele, der 1307 zur Fresenburger Burgmannschaft gehörte. 1422 wird ein Johannes de Vechta urkundlich als Pfarrer von Lathen genannt und für 1443 ein Johann Blanke.

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wird in einem Streitfall der Einfluss Corveys in Lathen noch einmal besonders erhellt.
Der Abt von Corvey wollte sein Recht auf das halbe Heergut in Lathen an dritte Personen verkaufen.
Dagegen wenden sich sämtliche emsländischen Vogtleute, die ein Vorkaufsrecht hatten.

Die Vogtleute bitten in einem Schreiben von 1582 um die Vermittlung der münsterschen Beamten beim Abt von Corvey und drohen gleichzeitig an, dem Bischof von Münster die schuldigen Wagendienste sowie die jährlichen Ablieferungen von Pachtschweinen, Widdern als auch die Entrichtung der Herbst- und Maischatzung zu verweigern. Es geht den emsländischen Vogtleuten besonders darum, dass die Junker Schwenke und Kobrink nicht das halbe Heergut und die sonstigen Corveyschen Gerechtigkeiten bekommen, da es diese Junker sehr übel treiben. Die Vogtleute nennen sich selbst in einem Schreiben an Abt Reinhart von Corvey "wir armen Leuthe" und fürchten, von den genannten Junkern um so schlimmer geschröpft zu werden, "zudeme die wolgemelte Junkern solche angekaufte Gerechtigkeit weiter und höher von Zeiten zu Zeiten sterken und scherpfen werden, als Euer Fürstl. Gnaden jemahls getan". Aber die mutige Sprache der armen Leute erreicht gar nichts beim Abt von Corvey, denn er belehnt trotzdem die Gebrüder Rötger, Otto und Erberg Kobrink mit der "Halbscheid" der Vogtleute zu Lathen und allem Zubehör an Gütern und Zehnten. Die andere "Halbscheid" fällt an Schwenke.

Die Herren Schwenke und Kobrink waren indes ihrerseits nicht untätig geblieben. Sie bewirkten durch Abt Reinhart von Corvey eine Vorladung der emsländischen Vogtleute nach Corvey. Die Verwaltung in Münster untersagt jedoch eine derartige Vorladung mit der Begründung, dass Corvey eine ausländische Behörde sei.

Die Kläger Schwenke und Kobrink sollten ihre Angelegenheit beim Hofschulten in Lathen vorbringen. Arnoldten Schwencken als dem "Fürstlich Durchlauchten Verordneten Richter zu Düthe" wird sogar eine Rüge zuteil, und sein Gericht wird bis auf Widerruf suspendiert. Die armen emsländischen Vogtleute zu Lathen hatten schließlich Erfolg, denn sie kauften sich 1589 bzw. 1590 von den Junkern Schwenke und Kobrink sowie von Corvey für 7000 Reichstaler frei. Jetzt waren sie nur noch Untertanen des Fürstbischofs von Münster. Damit endete der jahrhundertlange Einfluss Corveys in Lathen.

Noch bevor die reformatorische Bewegung Lathen erreicht, wird dort der Grundstein zu einer neuen Kirche gelegt.
Dieser Grundstein befindet sich heute über dem rechten Seiteneingang der Lathener Kirche und trägt die Inschrift:
"Anno Domini MCCCCCXXVIII unde dren, up maydach is gelegt de erste Sten." (Das heißt: Im Jahre 1528 und drei, am Maitag, wurde der erste Stein gelegt.) Von diesem Kirchenbau stehen heute noch der Altarraum und das Mittelschiff. Der Turm der Pfarrkirche von 1531 stürzte im Jahre 1650 aus nicht weiter genannten Gründen zusammen. Der heutige Turm wurde 1881 errichtet.

Im Jahre 1546 wird in Lathen durch Kaplan Bernard Kock die neue Lehre der Reformation eingeführt. Ihm schloss sich 1561 auch der Lathener Pfarrer Burchard von der Horst an. Aus Lathen stammte ferner Arnold Wesseling, der von 1611 bis 1625 als evangelischer Prediger im Amt Aurich wirkte. Lange hielt sich jedoch in Lathen die neue Lehre nicht. Denn von Meppen aus bereisten Jesuitenpatres das Land und führten den katholischen Glauben wieder ein.

Ab 1613 lehrten in Lathen nacheinander die Jesuitenpatres Heinrich Prochwyn und Johannes Fallerus mit Unterstützung des Fürstbischofs von Münster den katholischen Glauben.

Ab 1616 residierte in Lathen Johannes Strangh, ein Alumnus des Priesterseminars in Münster. Die Einwohner von Lathen bekannten sich wieder zum katholischen Glauben; denn aus dem Jahre 1658 sind uns aus Lathen folgende Zahlen überliefert: 639 Gläubige aus Lathen empfingen die österliche Kommunion, 15 Einwohner lehnten sie ab, und 6 bekannten sich weiterhin zum evangelischen Glauben.
 
Wir dürfen daraus schließen, dass es in dieser Zeit im Kirchspiel Lathen trotz des Schreckens und Mordens im Dreißigjährigen Krieg schon über tausend Einwohner gab. Aus ein paar Bauernhöfen war im Verlauf der Jahrhunderte ein ansehnliches Kirchspiel geworden.

Kapelle Fresenburg:

Entnommen aus der "Zeittafel", die sich neben der Eingangstür in der Kapelle Fresenburg befindet und von Johannes Rüschen verfasst wurde.

Um 1120 wurde eine landesherrliche Burg, die Fresenburg, errichtet, etwa 500 Meter westlich vom Standort der heutigen Kapelle und etwa 500 Meter von der Ems entfernt, auf dem Flurgelände, das heute noch "Borg" heißt. Die Erbauer der Burg waren die Grafen von Calvelage-Ravensberg und vermutlich auch die Äbte von Corvey.

Aktualisiert wurde die Geschichte der Fresenburg durch die Ausgrabungen im Sommer des Jahres 1962 durch Dr. Elisabeth Schlicht. Die Überraschung war dabei, dass die Fresenburg viel älter sein dürfte als man bisher annahm. Man darf hier auf eine sächsische Wehrburg schließen, die auch in fränkischer Zeit fortbestanden haben muss und den Ravensbergern ein günstiges Gelände für den Bau einer neuen Burg zur Überwachung der Ems bot. Die Ausgrabungen von Frau Dr. Schlicht fanden im gleichen Jahr eine interessante literarische Ergänzung durch die neuesten Forschungen von Werner Hillebrand. Hillebrand spricht davon, dass der Herrschaftsbereich der Grafen von Calvelage-Ravensberg sich aus den Bezirken Vechta, Fresenburg (Emsland), Ravensberg und Vlotho zusammensetzte. Im emsländischen Raum war also die Fresenburg für die Ravensberger ein wichtiger Mittel- und Stützpunkt. Doch schon bei Diepenbrock heißt es: "Die Fresenburg scheint mit Landegge, wenn nicht ein höheres, doch wenigstens ein gleiches Alter zu haben". Die benachbarte Burg Landegge wurde im Jahre 1178 errichtet. Die Fresenburg bestand aus einer Vor- und einer Hauptburg. Daneben gab es die Burgkapelle. Hauptburg und Kapelle waren von einem Graben umgeben.

Im Jahre 1226 wurde die Fresenburg erstmalig urkundlich erwähnt, nämlich bei der Erbteilung zwischen den Brüdern Otto und Ludwig von Ravensberg.

1252 verkaufte Jutta von Ravensberg ihren gesamten Besitz an den Bischof von Münster. Damit wurde die Fresenburg auch ein Teil des Fürstbistums Münster.

1252 - 1365 war die Blütezeit der Fresenburg als nördlichste Wehrburg des Fürstbistums Münster. Sie wurde bewacht von mehreren namentlich bekannten Burgmännern. 1365 brannte sie teilweise aus und es begann der totale Verfall der Burg.

1422 erlaubte Abt Mauritius von Corvey den Wiederaufbau der Burgkapelle, jetzt aber "prope uppe den Esch", also in der Dorfmitte. Der Pfarrer von Lathen, Johannes von Vechta, gab seine Zustimmung dazu. Die neue Kapelle bestand aus Altarraum, Längsschiff und einem wuchtigen Turm. Von der Burg heißt es in der Urkunde des Abtes, sie sei "iamdudum desolatum", also schon lange zerstört und verlassen.

1519 wurde die neue Kapelle von dem Osnabrücker Weihbischof Johann Meler konsekriert. Wer der Patron dieser Kapelle und der ehemaligen Burgkapelle war, ist nirgendwo verzeichnet. Jedoch wird 1422 von der "Kapelle im Dorf" gesagt, dass hier derselbe Patron wie auf der versunkenen Burgkapelle verehrt werden soll. Neuere Untersuchungen nennen den hl. Nikolaus als Patron der Kapelle. Eine wichtige Rolle spielte damals im Emsland die Familie von Schwenke, die in Fresenburg einen Gutshof besaß. Aus dieser Familie stammen auch der Hauptmann Bernhard von Düthe zu Fresenburg und Hedwig Sydonie von Schwenke, Äbtissin zu Rulle. Der Grabstein für den Hauptmann befindet sich heute im Haupteingang der Pfarrkirche zu Lathen. Auf dem Vorplatz stehen Grabsteine von Angehörigen der Familie von Schwenke.

1604 predigte in Fresenburg der protestantische Vikar Mathäus Welnerus. Die Reformation hatte hier nur kurzzeitig Erfolg.

Ab 1613 war der Beginn der Gegenreformation durch Jesuitenpatres aus Meppen, die in Fresenburg eine Pfründe, das heute noch so genannte Flurstück "Paotersland", erhielten.

1796 wurde das adelige Gut der Familie von Schwenke öffentlich versteigert. Damit begann auch der Verfall der Fresenburger Kapelle, wovon nur der Altarraum, die heutige Kapelle, erhalten blieb. Altar, Taufstein, Heiligenfiguren und Bänke wurden nach und nach verkauft und blieben bis heute unauffindbar.

1824 besann man sich wieder auf den Wert der Kapelle als Gotteshaus. Der Baumeister Fendei ließ den früheren Altarraum in Form eines Oktogons (Achteck) als geschlossene Kapelle wieder aufbauen. Die Kapelle diente fortan als Andachtsraum und zeitweise auch als Schul- und Versammlungsraum. Links von der Kapelle wurde ein Glockenturm aus Eichenstämmen errichtet. Die Glocke stammte von einem Glockengießer aus Heiligerlee (Holland) und wurde im Ersten Weltkrieg zu Kriegszwecken abtransportiert.

Glockenklöppel

1935 fand Bauer Gerhard Führs auf dem alten Burggelände in einem Graben einen eisernen Glockenklöppel, der mit ziemlicher Sicherheit von der alten Burgkapelle stammt.

1939 fand man bei der Erneuerung des Fußbodens in der Kapelle einen runden "Altarstein" mit vier eingezeichneten Kreuzen. Der Stein stammt wahrscheinlich von der Alten Fresenburg.

Die vier Kreuze könnten für die vier Evangelisten stehen. Der Stein befindet sich heute auf dem Eichenhain, in der Nahe der Kapelle.

Von 1940 bis 1945 wurde die Kapelle zeitweise als Gemeinschaftsraum für die Hitlerjugend und für die Pioniere der Wehrmacht missbraucht.

Ab 1945 dient die Kapelle wieder als Gotteshaus. Andachten, Christenlehre, gelegentlich auch heilige Messen und Festgottesdienste des Schützenvereins fanden und finden hier statt.

1962 wurde unter Leitung der Archäologin Dr. Elisabeth Schlicht die alte Fresenburg teilweise wieder freigelegt. Man fand Reste der Vor- und Hauptburg sowie der alten Burgkapelle.

1967 wurden unter reger Beteiligung der Einwohner von Fresenburg, Düthe und Melstrup die Kapelle und ihre Umgebung gründlich renoviert und verschönert. Ab jetzt wurde allwöchentlich eine Schulmesse in der Kapelle abgehalten.

1979 im September erhielt die Kapelle durch Vermittlung von Pfarrer Lögering (Lathen) einen neugotischen Altaraufsatz. Der Tisch unter diesem Aufsatz wurde unter Verwendung von Teilen eines Beichtstuhles geschaffen, den die Kirchengemeinde Steinbild zur Verfügung gestellt hatte - ebenso der Schrank unter dem Marienbild.

1983 wurde der Glockenturm von der politischen Gemeinde Fresenburg neu errichtet, da der alte Turm baufällig war.

1985 wurde die Kapelle auf Veranlassung der Gemeinde erneut gründlich renoviert. Es wurde ein Fußboden mit Steinplatten gelegt, die feuchten Wände saniert und der Dachstuhl erneuert. Die alten Dachziegel wurden jedoch wieder verwendet. Neue Heizkörper wurden eingebaut. Ebenso erhielt die Kapelle eine neue Eingangstür und neue Fenster. Die Außenanlagen wurden im Zuge dieser Maßnahmen auch neu gestaltet. Ein Kreuzweg aus Bronze wurde angeschafft, dessen einzelne Bilder um den Fuß des alten Kreuzes gruppiert wurden.

1996 erklären sich Fresenburger Schreiner bereit, in Gemeinschaftsarbeit neue Kirchenbänke zu fertigen. Ein neuer Altar, ein Priestersitz und ein Ambo wurden im Zuge dieser Maßnahmen auch noch angefertigt, letztere beiden unter Verwendung von noch vorhandenen Teilen des Beichtstuhles aus Steinbild.

1997 wurde die neugestaltete Kapelle unter großer Anteilnahme der Bevölkerung am 20. April mit einem Gottesdienst eingeweiht.

Innenraum der Kapelle Fresenburg im Jahre 2004

Innenraum der Kapelle Fresenburg im Jahre 2004

 

 

Wer jetzt beim Lesen neugierig auf mehr Daten und Fakten zur Kapelle geworden ist, den kann ich in diesem Zusammenhang auf das Buch von Johannes Rüschen "Aus der Geschichte der Fresenburger Kapelle", Köln 1999 (ISBN 3-927099-67-8) hinweisen.

 

Quellen und Literatur:

Johannes Rüschen: Aus der Geschichte des Kirchspiels Lathen von 800 bis 1600. Jahrbuch des Emsländischen Heimatvereins 1967, Band 14,  Seite 130 - 147.
Zeittafel in der Fresenburger Kapelle, von Johannes Rüschen.
Johannes Rüschen: Aus der Geschichte der Fresenburger Kapelle, Köln 1999.
Gotteslob des Bistums Osnabrück, Diözesanausgabe des Einheitsgebet- und Gesangbuches mit dem Eigenteil der Diözese Osnabrück.

Meppener Urkundenbuch. Hrg. v. Hermann Wenker. Meppen, 1902 -1906.
Die mittelalterlichen Lehnbücher der Bischöfe von Osnabrück. Hrg. Hermann
Rothert. Osnabrücker Geschichtsquellen. Band V. Osnabrück 1932.
Abels, Hermann: Die Christianisierung des Emslandes und der heilige Luidger Osnabrück 1924.
Abels, Hermann: Die Ortsnamen des Emslandes. Paderborn 1927.
Abels, Hermann: Zur ältesten Kirchengeschichte des Emslandes. Meppen 1930.
Behnes, Cl. A.: Beiträge zur Geschichte und Verfassung des ehemaligen Nieder- stiftes Münster. Emden 1830.
Berning, Wilhelm: Das Bistum Osnabrück vor der Einführung der Reformation (1543). Osnabrück 1940.
Bruch, Rudolf vom: Die Rittersitze des Emslandes. Münster 1962.
Diepenbrock, J. B.: Geschichte des vormaligen münsterschen Amtes Meppen. Münster 1838.
Hennecke, Edgar: Die mittelalterlichen Kirchen- und Altarpatrozinien Niedersachsens. Göttingen 1960.
Hillebrand, Werner: Besitz- und Standesverhältnisse des Osnabrücker Adels 800 bis 1300. Studien und Vorarbeiten zum Historischen Atlas Niedersachsens. 23. Heft. Göttingen 1962.
Hinrichs. H.: Das katholische Emsland im Laufe der Jahrhunderte. Lingen 1949. Krone, Theodor: Alte Taufsteine des Emslandes. Ems-Zeitung vom 29. Aug. 1964. Martiny, Rudolf: Der Grundbesitz des Klosters Corvey in der Diözese Osnabrück. Diss. Marburg 1895.
Prinz, Josef: Das Territorium des Bistums Osnabrück. Studien und Vorarbeiten zum Historischen Atlas Niedersachsens. 15. Heft. Göttingen 1934.
Rüschen. Johannes: Die Fresenburger Kapelle. Ems-Zeitung vom 5. Dez. 1964.
Rüschen. Johannes: Düthe in der emsländischen Geschichte. Ems-Zeitung vom
19. Dezember 1964.
Rüschen. Johannes: Lathen in der mittelalterlichen Zeit. Ems-Zeitung vom 9. Jan. 1965.
Rüschen. Johannes: St. Liudger  - Missionar der Sachsen und Friesen. Kirchen- bote des Bistums Osnabrück vom 1. Januar 1967.
Schlicht. Elisabeth: Zur Siedlungsgeschichte. Jahrbuch des Emsländischen Heimatvereins. Band 1/1953. S. 10- 25.
Schlicht. Elisabeth: Reste der Fresenburg erzählen vom Ritterleben des Mittel- alters. Ems-Zeitung vom 22. September 1962.
Steenken, Maria: Soziale Wandlung und Wanderung auf kleinem Raum. Eine Untersuchung über die Wanderungsbewegung des Kirchspiels Lathen unter dem Aspekt der "sozialen Auslese". Diss. Lingen 1940.